Kopfschmerz und Psychische Komorbidität - Chronischer Kopfschmerz

 


Episodische Kopfschmerzen lassen sich meist gut medikamentös und / oder mit individuellen Verhaltensanpassungen behandeln. Liegen allerdings psychosoziale Belastungen oder komorbide psychische Erkrankungen vor wird sowohl die Krankheitsschwere  als das Behandlungsergebnis deutlich negativ beeinflusst und begünstigt einerseits einen Medikamentenübergebrauch als auch den Übergang von einem episodischen zu einem chronischen Kopfschmerz.  Grundsätzlich kann jeder episodische Kopfschmerz chronisch werden. Von chronischen Kopfschmerzen spricht man bei einer Kopfschmerzhäufigkeit von mindestens 15 Tagen pro Monat für mindestens 3 Monate.  Faktoren die zu einer Kopfschmerzchronifizierung beitragen können sind die zugrundeliegende Kopfschmerzdiagnose und psychosoziale Begleitfaktoren .

Bei jedem Kopfschmerzpatient sollte daher in der Anamnese und im Behandlungsverlauf geachtet werden auf auf Stressoren wie berufliche und familiäre Schwierigkeiten, ungeklärte Versicherungssituation bzw. laufendes Rentenverfahren oder ungelöste persönliche Konflikte sowie auf Hinweise bzgl. psychischen Erkrankungen wie Affektive oder Angststörungen, Schlafstörungen oder Suchterkrankungen.  Unabhängig von der Ursache des Stresses kann von mindestens einer Verdoppelung des Kopfschmerzrisikos durch Stress ausgegangen werden. Die Häufigkeit für psychische Erkrankungen ist bei Kopfschmerzerkrankungen um das 2-3fache erhöht im Vergleich zu nichtkopfschmerzbetroffenen Bevölkerung. Am häufigsten finden sich Angsterkrankungen, gefolgt von Depressionen. Eine  grosse aktuelle populationsbasierten Studie in 10 EU-Ländern ergab für Migränebetroffene eine Wahrscheinlichkeit von 19.1 % für Angststörungen, 6.9 % für Depression und 5.1 % für beides zusammen, deutlich höher als die repräsentative Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung
(14.3, 5.6 und 3.8 %). Weit höher noch die Zahlen für Betroffene mit MÜKS (38.8, 16.9 und 14.4 %), während in der Gruppe mit Spannungskopfschmerz die Zahlen denen der Allgemeinbevölkerung ähneln.

Diese Begleitfaktoren können wesentlich zu einer Therapieresistenz bzw. zu einer Kopfschmerzchronifizierung beitragen, deswegen ist ein frühzeitiges Erkennen und eine Behandlung dieser Faktoren unerlässlich für eine erfolgreiche Kopfschmerztherapie.

Fragebögen können helfen,  Kontextfaktoren zu erfassen. Zur Diagnostik von psychischen Begleiterkrankungen sollte  die Überweisung zu einer Fachperson mit Erfahrung in der Schmerztherapie (Psychotherapeut, Psychiater) erfolgen. 

Die Schmerzpsychotherapie ist ein inzwischen gut etabliertes Verfahren, welches verschiedene psychotherapeutische Interventionen umfasst wie Verbesserung der Entspannungsfähigkeit und Körperwahrnehmung, Copingstrategien zur besseren Schmerz- / Stress- und Konfliktbewältigung, sowie Psychotherapie der affektiven bzw. Angstsymptomatik, Ziel ist es, einer weiteren Schmerzchronifizierung mit der Ausbildung chronischer Kopfschmerzen entgegenzuwirken. Gelegentlich ist eine intensive multimodale stationäre Therapie in einer geeigneten Klinik mit etabliertem Schmerzprogramm
(psychosomatische Abteilung) erforderlich. Liegt zusätzlich ein Übergebrauch von Kopfschmerzmedikamenten vor, muss ein stationärer Medikamentenentzug mit nachfolgender multimodaler Schmerztherapie erfolgen.
Multimodale Schmerztherapie beinhaltet miteinander koordinierte ärztliche, psychologische und physiotherapeutische Interventionen, sowie häufig zusätzliche Methoden.
Website


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