Migräne bei Frauen
F. Bornatico-Valsangiacomo / Februar 2013
Das Überwiegen des weiblichen Geschlechtes bei Migräne (3:1) und Spannungskopfschmerzen (5:4) ist allgemein bekannt. Bei Spannungskopfschmerzen ist die Prävalenz der Frauen eher auf verschiedene geschlechtsgebundene psychologische und psychosoziale Faktoren sowie auf Verhaltensunterschiede zurückzuführen. Im Fall der Migräne hingegen unterstützen viele Beobachtungen die Hypothese des hormonellen Einflusses auf die Schmerzentstehung. Es handelt sich dabei oft um die Assoziation der Migräne mit dem menstruellen Zyklus, die häufige Verbesserung während der Schwangerschaft, die Verschlechterung durch Einnahme hormoneller Verhütungsmittel und die Besserung sowie seltener die Verschlechterung während der Wechseljahre.
Menstruelle Migräne
Die Bezeichnung „menstruelle Migräne“ sollte Migräneattacken vorbehalten werden, die ausschliesslich während der ersten drei Tage der Monatsblutung und 2 Tage zuvor auftreten. Die Attacken der echten menstruellen Migräne zeichnen sich meist durch hohe Schmerzintensität, lange Dauer und intensive Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Erbrechen aus.
Meistens handelt es sich um eine Migräne ohne Aura, d.h. ohne vorübergehende neurologische Symptome wie Sehstörungen, Missempfindungen, Sprachstörungen und, seltener, Lähmungen. Weitere Merkmale der menstruellen Migräne betreffen ihre schwierigere Behandlung im Vergleich zur üblichen Migräne, das häufige Nicht-Ansprechen auf Medikamente und die starke Neigung, nach vorübergehender Besserung wieder aufzutreten.
Wichtig ist eine korrekte Diagnose, die durch einen entsprechenden Kalender zu erfassen ist.
Als Ursache wird eine Reihe nicht vollständig verstandener Mechanismen diskutiert. Erwähnenswert ist der plötzliche Abfall eines über mehrere Tage hohen Oestrogenspiegels Auch das Absetzen der Antibabypille nach 21 Tagen kann einen solchen sogenannten Hormonentzugskopfschmerz auslösen.
Das prämenstruelle Syndrom (PMS)
Trotz ähnlicher Symptome sollte man versuchen, die menstruelle Migräne von Kopfschmerzen im Rahmen des prämenstruellen Syndroms zu unterscheiden. Dieses bezeichnet das Zusammentreffen von Kopfschmerzen mit verschiedenen anderen Symptomen, die wenige Tage vor und während der Monatsblutung auftreten. Es handelt sich dabei um körperliche Beschwerden wie Brustspannung, Wasseransammlung in den Beinen oder Appetitstörungen, und psychische Symptome wie Reizbarkeit, Angst, Depression und Gemütsschwankungen bzw. -ausbrüche.
Migräne und Schwangerschaft
In den ersten 3 Monaten der Schwangerschaft kann es zu einer Verschlimmerung der Migräne kommen. Danach wird jedoch ein grosser Teil der Migränikerinnen während des 2. und 3. Drittels der Schwangerschaft beschwerdefrei. Dies gilt insbesondere für Frauen, die an einer menstruellen Migräne leiden. Im Wochenbett können die Migräne-Symptome wieder vermehrt auftreten. 25% der Migränikerinnen bekunden hingegen keine Veränderung ihrer Attackenhäufigkeit während der Schwangerschaft.
Die Besserung der Migräne während der Schwangerschaft soll auf den gleichmässig hohen und stabilen Spiegeln der weiblichen Hormone beruhen, die Verschlechterung nach der Geburt auf deren Abfall. Der während dieser Zeit progressiv ansteigende Endorphinspiegel sollte ebenfalls eine günstige Rolle spielen.
Migräne und kombinierte hormonelle Verhütungsmittel (CHC)
Mehrere epidemiologische Studien zeigen, dass die Migräne mit einem leicht erhöhten Risiko für Durchblutungsstörungen des Gehirnes bzw. für Schlaganfälle korreliert und dass dieses Risiko in den jüngeren Jahren grösser ist. Mit 40 Jahren ist dieses Risiko 2.8-fach erhöht im Vergleich zu Nichtmigränikerinnen, bei Migräne mit Aura sogar 6-fach erhöht.
Die Einnahme kombinierter hormoneller Verhütungsmittel zeigt bei Migränikerinnen jeder Alterklasse mit oder ohne Aura einen weiteren Anstieg des Risikos für Schlaganfälle Andere Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck und Rauchen führen zu einem weiteren multiplikativen Anstieg des Risikos.Es ist z.B. bekannt, dass Migräne plus Antibabypille und Rauchen mit einer hochsignifikanten Risikoerhöhung (Faktor 30) verbunden ist. Migränikerinnen sollen ihre Verhütungsproblematik mit dem Facharzt gründlich diskutieren. CHC können auch eine Migräne initiieren oder eine bestehende Migräne verschlechtern. Falls eine Migräne unter CHC erstmals auftritt sollten diese umgehend abgesetzt werden.
Verhütungsmittel mit nur Gestagenen erhöhren das Schlaganfallrisiko nicht.
Migräne in der Postmenopause (Zeit nach der letzten Monatsblutung)
Entgegen der früheren Meinung, dass die Migräne nach der Menopause verschwindet, haben mehrere Studien das Gegenteil gezeigt. Viele Frauen erfahren nämlich eine Verschlechterung ihrer Migräne vor und während der Menopause. Es handelt sich vor allem um Patientinnen, die früher bereits unter einer menstruellen Migräne litten. Die Erklärung dieser Verschlechterung wird wiederum auf die starken und unregelmässigen Hormonschwankungen während dieser Zeit zurückgeführt.
Das Auftreten von Migräne hängt von weiteren, noch unbekannten Faktoren ab, da die Krankheit auch spät nach der Menopause bei Erreichen von tiefen Hormonwerten überwiegend Frauen trifft. Bei 70-Jährigen sind doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen.