Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜKS)
Überarbeitung Dr. med. Andreas R. Gantenbein, PD Dr. med. Peter S. Sándor / Februar 2013
Tabletten können Kopfschmerzen verursachen
Dr. med. J. Jäger
Ein Schmerz ist immer eine unangenehme Empfindung, das gilt natürlich auch für Kopfschmerzen. Schon leichtes Kopfweh kann sehr störend sein, sehr starke Beschwerden verunmöglichen die Weiterführung der Arbeit und die Teilnahme am sozialen Leben.
Was liegt einem da näher als sich Linderung zu verschaffen? Das ist schon seit mehr als zweitausend Jahren so. Rasch geschieht der Griff zu Schmerzmitteln, welche zudem oft leicht erhältlich sind. Die Werbung verspricht immer eine rasche Linderung: "Medikament A garantiert etwas weniger Schmerz auf dieser Welt" oder "Medikament B: das ist ein Fall für mich". Gegen den Einsatz von Schmerzmitteln bei Kopfschmerzen ist auch nichts einzuwenden. Nur hat die Sache einen Haken: Die Kopfwehmittel können auch selber Kopfschmerzen verursachen. Bei längerdauernder, regelmässiger Einnahme von Akutmitteln kann sich ein Dauerkopfschmerz einstellen, wobei alle Arzneien mögliche Verursacher dieser Kopfwehform sind. Bei Mischpräparaten (bei den Inhaltsangaben im Beipackzettel sind mehrere Substanzen aufgeführt) ist die Gefahr grösser als bei sogenannten Monopräparaten, in denen nur eine Substanz enthalten ist. Aber auch die spezifischen Migränemedikamente, wie Triptane oder die älteren Ergotamine, können bei häufigem Gebrauch (mehr als 10 Tage monatlich über länger als 3 Monate) einen Medikamentenübergebrauchskopfschmerz verursachen. .
Wenn bei chronischen Kopfschmerzen (15 oder mehr Tage pro Monat) auch entsprechend oft Akutmittel eingenommen werden und sich der Kopfschmerz über mehrere Monat verschlechtert, resp. chronifiziert hat, kann die Diagnose gestellt werden.
Therapie des Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜKS)
Dr. med. Joachim W. Koch
Die Behandlung des MÜKS erfordert in den meisten Fällen das vollständige Absetzen der Akutmedikamente (Medikamentenpause). ). In komplexeren Fällen mit zahlreichen Komorbiditäten oder bei missglückten ambulanten Entzugsversuchen bedarf es allenfalls einer stationären Behandlung. In diesen Fällen hat sich auch eine anschliessende stationäre Rehabilitation über 2-3 Wochen bewährt. Eine geeignete Rehabilitation erfordert ein MÜKS-spezifisches Behandlungsprogramm unter ärztlicher Leitung eines Kopfschmerzspezialisten, welcher auch die medikamentöse Prophylaxe des vorbestehenden Kopfschmerzes (meits Migräne) überwacht. Die Therapie beinhaltet evidenzbasierte Bausteine, idealerweise wird die interdisziplinäre Behandlung von gut geschulten und erfahrenen Therapeuten durchgeführt, vorteilhaft ist ein gewisses Volumen derartiger Patienten mit der Möglichkeit von Gruppentherapien.
Die wichtigsten evidenzbasierten Elemente einer solchen Behandlung sind:
1. Medizinische und psychologische Edukation über Ursachen und Behandlung der Kopfschmerzen.
2. Medikamentöse Prophylaxe des vorbestehenden Kopfschmerzes.
3. Auch physikalische Therapien und medizinische Massagen haben einen günstigen Einfluss auf die Kopfschmerzen. Längerfristig beugt ein regelmässiges Ausdauertraining (z.B. Nordic Walking, Schwimmen, Jogging, Velofahren) dem Auftreten von Kopfschmerzen vor.
4. Eine psychologische Therapie beinhaltet in der Regel Strategien zur Triggervermeidung oder Denkwerkzeuge, um besser mit den Gesundheitsproblemen fertig zu werden.
5. Entspannungstherapien sind ebenfalls Bestandteil der therapeutischen Strategien.
6. Bewährt hat sich auch der Einsatz der Biofeedbacktherapie.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Behandlung einer evtl. vorhandenen psychiatrischen Begleiterkrankung.
Im Anschluss an die stationäre Therapie sollte die ambulante Weiterbehandlung durch einen Kopfschmerzspezialisten erfolgen. Hierdurch lassen sich das Risiko eines Rückfalls in einen erneuten Medikamentenübergebrauch vermindern und der Therapieerfolg langfristig sichern.
Weiterführender Link:
DGN-Leitlinien Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch