Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜKS)

Diagnose

Ein Schmerz ist immer eine unangenehme Empfindung, das gilt natürlich auch für Kopfschmerzen. Schon leichtes Kopfweh kann sehr störend sein, sehr starke Beschwerden verunmöglichen die Weiterführung der Arbeit und die Teilnahme am sozialen Leben. Was liegt einem da näher als sich Linderung zu verschaffen? Das ist schon seit mehr als zweitausend Jahren so. Rasch geschieht der Griff zu Schmerzmitteln, die zudem oft leicht erhältlich sind. Gegen den Einsatz von Schmerzmitteln bei Kopfschmerzen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Nur hat die Sache einen Haken: Gewisse Kopfwehmittel können auch selbst Kopfschmerzen verursachen.

Wenn jemand unter chronischen Kopfschmerzen leidet, also an mindestens 15 oder mehr Tagen pro Monat Kopfschmerzen hat über mindestens 3 Monate und entsprechend an vielen Tagen pro Monat Schmerzmittel einnehmen muss, spricht man von einem sogenannten Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MÜKS). Einfache Schmerzmittel, die nur einen Wirkstoff enthalten (z.B. ASS, Ibuprofen, Paracetamol), können dann problematisch werden, wenn man sie an 15 Tagen oder mehr Tagen im Monat einnimmt. Mischpräparate (z.B. Kombinationen von ASS, Paracetamol und Koffein), Opiate oder Triptane (spezifischen Migränemedikamente) können schon bei 10 oder mehr Einnahmetagen pro Monat einen MÜKS auslösen. Für die neuen Medikamente gegen Migräne aus der Gruppe der CGRP-Hemmer (Gepante) fehlen bisher Hinweise, dass die regelmässige Einnahme zu einem MÜKS führen kann.

 

Viele weiße Tabletten auf einem Foto, Symbolbild für Medikamentenübergebrauchskopfschmerzen

Therapie

Die Behandlung des MÜKS hat sich in den letzten Jahren geändert. Früher hat man den Betroffenen empfohlen, die Schmerzmittel komplett abzusetzen, also eine Medikamentenpause einzulegen. Heute empfiehlt man den Betroffenen in erster Linie, sich gut über die Ursache und die Zusammenhänge von MÜKS zu informieren und mit einer vorbeugenden Behandlung zu beginnen, so dass die Kopfschmerzen gar nicht erst so stark werden und so häufig auftreten. 

Besonders hilfreich sind die neuen CGRP-Medikamente, da sie auch bei Vorliegen eines MÜKs wirken können.

Ergänzend wertvoll sind nicht-medikamentöse Therapien wie regelmässiges Ausdauertraining (z.B. Nordic Walking, Schwimmen, Jogging, Velofahren), Entspannungstherapien, Biofeedbacktherapie oder auch Neurostimulation (wie z.B. das TENS-Gerät Cefaly). Ausserdem kann eine psychologische Unterstützung zum Verständnis von Schmerzmechanismen und zur Erarbeitung von Strategien in der Schmerzverarbeitung hilfreich sein. 

In komplexen Fällen mit zusätzlichen Erkrankungen oder bei missglückten ambulanten Entzugsversuchen kann eine stationäre Behandlung helfen.

Anschliessend kann auch eine stationäre multimodale Rehabilitation über 2-3 Wochen sinnvoll sein. Dafür gibt es spezielle MÜKS-Behandlungsprogramme, die von Kopfschmerzspezialistinnen und -spezialisten geleitet werden. Die Therapie besteht aus verschiedenen Bausteinen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist. 

Am besten ist es, wenn mehrere Fachrichtungen zusammenarbeiten und die Behandlung von gut geschulten und erfahrenen Therapeutinnen und Therapeuten durchgeführt wird. Nach der stationären Therapie sollte eine ambulante Weiterbehandlung durch eine Kopfschmerzspezialistin oder einen Kopfschmerzspezialisten erfolgen. Hierdurch lassen sich das Risiko eines Rückfalls in einen erneuten Medikamentenübergebrauch vermindern und der Therapieerfolg langfristig sichern.

I. Kriterien für eine ambulante Medikamentenpause/Entzug 

  • Sie haben zuvor noch nie unter MÜKS gelitten.
  • Sie befinden Sie momentan nicht in einer grösseren psychischen Belastungssituation und haben keine psychischen Erkrankungen.
  • Sie nehmen keine Beruhigungsmittel oder starke Schmerzmittel wie Opiate.

II. Kriterien für eine stationäre Medikamentenpause/Entzug (Dauer meist 5 Tage)

  • Die Kriterien für eine ambulante Pause sind nicht erfüllt.
  • Sie befinden sich in einer grösseren psychischen Belastungssituation (bspw. Stress in Familie oder Beruf).
  • Sie haben schon lange und dauerhaft Kopfschmerzen.
  • Sie leiden unter einer psychischen Krankheit (bspw. Depressionen oder Angststörungen).
  • Sie waren schon mehrfach stationär in einer Klinik, ohne dass die Kopfschmerzen langfristig besser wurden.

III. Entzug von Opiaten
Der Entzug von Opiaten sollte auf einer Abteilung mit entsprechender Spezialisierung (Schmerzabteilung, psychiatrische oder psychosomatische Abteilung) erfolgen. In den meisten Fällen ist ein (stationärer) Entzug über mehrere Wochen notwendig. Wenn Betroffene zusätzlich zu den Opiaten regelmässig Benzodiazepine (starke Beruhigungsmittel) einnehmen, sollten diese ebenfalls abgesetzt werden.