Vestibuläre Migräne (Schwindel-Migräne)
Aktuelle Erkenntnisse, Merkmale und Behandlungsmethoden
Hintergründe
Vestibuläre Migräne (VM) ist eine Erkrankung, bei der Migränesymptome mit Schwindel einhergehen. Sie betrifft etwa 3 % der Bevölkerung und ist die zweithäufigste Ursache für wiederkehrenden Schwindel. VM tritt in Schüben auf und ist oft schwer zu erkennen, da Kopfschmerzen nicht immer im Vordergrund stehen müssen.
Frauen sind häufiger betroffen, wahrscheinlich wegen hormonellen Einflüssen, zum Beispiel in den Wechseljahren. Die genauen Ursachen der vestibulären Migräne sind noch nicht vollständig erforscht. Man geht aber davon aus, dass eine Fehlfunktion der Nervenverbindungen zwischen Hirnregionen, die für das Gleichgewicht und die Schmerzverarbeitung zuständig sind, eine Schlüsselrolle spielt.
Viele Betroffene berichten von einem schwer zu beschreibenden Schwindel, was die Diagnose weiter erschwert.

Was gibt es Neues:
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass VM häufig in Verbindung mit anderen Erkrankungen auftritt, insbesondere mit autonomen Störungen (oder entzündlichen Erkrankungen). Ausserdem haben Betroffene von VM häufig auch Probleme mit dem Bindegewebe. Studien deuten darauf hin, dass Patienten mit chronischen Schwindelstörungen, wie der postural-perzeptive Schwindel (PPPD), häufig auch unter Migräne leiden.
Neue bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass bestimme Bereiche im Gehirn von Menschen mit vestibulärer Migräne eine veränderte Struktur aufweisen. Dies betrifft insbesondere den Hirnstamm, das Kleinhirn und den Thalamus – also Bereiche, die für die Verarbeitung von Schwindel und Schmerz verantwortlich sind. Diese Erkenntnisse stützen die Vermutung, dass VM durch eine Überempfindlichkeit des zentralen Nervensystems verursacht wird.
Darüber hinaus haben neue Therapien, die auf den sogenannten CGRP-Signalweg abzielen, vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Medikamente wie Erenumab, ursprünglich zur Behandlung der chronischen Migräne entwickelt, haben sich auch bei vestibulärer Migräne als wirksam erwiesen.
Praktische Hinweise:
Die Behandlung der vestibulären Migräne orientiert sich an der Therapie von klassischen Migräneformen. Patienten profitieren in der Regel von Betablockern, Antidepressiva, Kalziumkanalblockern und den neueren CGRP-Hemmern. Eine sorgfältige Ermittlung der Krankengeschichte (Anamnese) ist entscheidend, um die vestibuläre Migräne von anderen Schwindelerkrankungen, wie z.B. dem Morbus Menière zu unterscheiden.
Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung wird oft zu Lebensstiländerungen geraten, wie der Reduzierung von Stress, regelmässiger körperlicher Aktivität und Anpassungen der Ernährung. Vestibuläre Migräne kann durch bestimmte Auslöser, wie visuelle Reize oder schnelle Kopfbewegungen, verstärkt werden.
Langfristige Schwindelsymptome lassen sich mit vestibulärer Physiotherapie (spezielle Form der Physiotherapie für Menschen mit Schwindel) behandeln. Es ist wichtig, dass Patienten ihre Symptome ganz genau schildern, da die individuelle Krankheitsgeschichte die Grundlage für eine passende Therapie bildet.
Referenzen:
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